Tagebuch einer Verlorenen

Deutschland 1930, 109 Minuten

Regie:
Georg Wilhelm Pabst

Drehbuch:
Rudolf Leonhardt

Darsteller: mit Louise Brooks, Fritz Rasp, Valeska Gert, Siegfried Arno, Kurt Gerron

Musik: Natalie Böttcher, Solo-Akkordeon

Freitag 25.10.2024 | 20:00 Uhr | Rudolf-Oetker-Halle


Georg Wilhelm Pabsts Film Tagebuch einer Verlorenen nach dem 1905 erstmals erschienenen, gleichnamigen Erfolgsroman von Margarete Böhme ist die bereits dritte Adaption fürs Kino – und seine zweite Produktion mit der amerikanischen Schauspielerin Louise Brooks. Thymian, die Tochter eines Apothekers, wird von einem Freund ihres Vaters verführt, vergewaltigt und nach der Geburt des unehelichen Kindes von ihrer Familie verstoßen. Sie muss ins Heim, in welchem sie unter dem sadistischen Regiment des Vorsteher-Paares leidet. Als Thymian einen mittellosen Grafen kennenlernt, flüchtet sie mit ihm in die Großstadt und arbeitet dort im Bordell. Eines Tages trifft sie dort auf ihren eigenen Vater, der sich von diesem Schock nicht mehr erholt. Nach seinem Tod steht Thymian plötzlich als vermögende Erbin dar …

Pabst schuf ein Sozialdrama, das die Scheinheiligkeit und Perfidie des Bürgertums nicht nur entblößt, sondern der tragischen Heldin auch eine neue Perspektive eröffnet und sie am Ende in einem leidenschaftlichen Plädoyer gegen Verlogenheit und Heuchelei und für mehr Menschlichkeit ihre Stimme erheben lässt. Nur wenige deutsche Filme der 1920er Jahre waren so umstritten und wurden einer so rigiden Zensur und somit Verstümmelung unterzogen wie Pabsts Tagebuch einer Verlorenen. 1997 meldete die Cineteca di Bologna den Fund einer Nitrokopie, welche die meisten der bislang verschollenen Szenen aufwies: eine umfangreiche »Gymnastikunterricht«-Sequenz im Bordell, sadistische Szenen im Internat und die letztliche Bestrafung der Aufseher durch aufgebrachte Mädchen. Das Deutsche Filminstitut und die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung übernahmen die komplette Rekonstruktion des Films und im Jahr 2013 ließ die Murnau-Stiftung die Restaurierung hochauflösend digitalisieren.

Henri Langlois, Direktor der Cinémathèque Française, der Brooks nach Jahrzehnten des Vergessens als Ikone des Stummfilms rehabilitierte, beschrieb deren Magie: »Wer sie einmal gesehen hat, wird sie nie vergessen. Sie ist die moderne Schauspielerin schlechthin. … Sie ist die Intelligenz des filmischen Prozesses, die perfekte Verkörperung des Fotogenen; sie verkörpert all das, was das Kino in den letzten Jahren seines Schweigens wiederentdeckt hat: völlige Natürlichkeit und absolute Einfachheit. Ihre Kunst ist so rein, dass sie unsichtbar wird.«

Zum zweiten Mal ist die sensationelle Hamburger Solo-Akkordeonistin Natalie Böttcher zu Gast beim Film+MusikFest.